De Gewantierkeler 

 

 

Bei de Pull féiert e Piedchen. E romantesche Wee, matzen duerch d’Louhecken, déi d’Lut sënneren.

E war, et ass eng Waasserplaz matzen am Bësch. Ouni Kaart a Kompass stoung ech op eemol mat de Schong am fiichte Bulli. D’Plaz hat sech net ugekënnegt. Et ass kee Fuedem aus enger Quell iwwert de Bëschbuedem gelaf. Ech hätt en erbléckst, tëscht dem Onkraut an de Blieder. Et waren och keng Trëtt vu Wëllschwäin ze gesinn, oder vun engem Réi. Keen Ofdrock vu Vëlospneuen oder engem Spadséierbengel. Um Bord vum Pull war de Buedem glat, wéi mat enger Traufel verzunn. Klinzeg Lächer hätten u Kiewerleken erënnert, u Wierm oder Raupen. D‘Wasserlach war net déif. Um Fong louche Blieder ewéi Stécker Pabeier, op deenen e puer Wolleke geschwomme sinn. 

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D’Waasser, schéngt es, hat es genuch vum sichen, fléissen, netzen, vum drëpsen, vum taaschten, befiichten, vum spruddelen a schaimen, vum sabbelen a schluppen. Et gouf midd mat der Zäit a wollt sech ausraschten.

Wéi grouss muss den Duercherneen ënnert dem Buedem sinn? Zougepraffte Longen, sprock a verdréchent Schanken trëllen iwwereneen, falen sech an d’Wuert, verziele verréckte Geschichten, déi am Däischtere geschriwwe goufen, vun him, dem Gewantierkeler, deem krommen Hond, dee schléckt, sech verschléckt, ofschléckt, d’Hunneféiss, d’schwaarz Kiischten, d’Stäremoos, de Bësch, d’Wisen, d’Felder mat hiren Däller a Koppen. Nëmmen eng Bless ass nieft mengem Spadséierwee ze gesinn, e glënneregt An, dat sech zu Doud erféiert huet.  

 

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aus 

ze déif an d'Gewan gekuckt, 20 Glieser an e puer Schierbelen 

nach onverëffentlecht 


Votek

 

  

Voteks Spaziergang 

 

 

1.

 

Votek und sein Freund Men, oder Män, je nachdem wie der Wind die Vokale in die Länge zieht, stehen in Habachtstellung: Immediater Angriff geplant auf den Treppenturm neben dem Escher Bahnhof. Los! Stufe eins und zwei und weiter nach oben, die Hand am Lauf, Stufe um Stufe, den Ellbogen gepresst gegen den Brustkorb, hinauf in diese löchrige, in Beton gegossene Strumpfhose am Boulevard Kennedy. Am Liftschacht vorbei gehts und die Zehen pressen sich in die neuen Mephisto Schuhe mit Einlagen und die Strümpfe verrutschen unter dem Kniegelenk und der Atem der beiden wird lauter, pfeift, wird schriller, zischt, noch eine Stufe, bald haben wir's geschafft, auch ohne Lift, hinauf in die eigene Anmaßung, sich das Alter zu verbitten. „Und die Energie, ja spürst du ’s? Sie schäumt im Kopf, mein Bester.“ Und die Anstrengung sammelt sich an den Nasenspitzen wie frisch gezapfter Bierschaum, kocht brandrot über die Wangen, und der Sturm zweier Pensionäre auf den Gaalgebierg, so der Name des Stadtparks, verdient einen Krümel Eigenlob: 

„Besser noch als vor einer Woche, Män“ keucht Votek und setzt sich auf die nächstgelegene Ruhebank. Sie hatten beide ehemals geraucht wie die Schlote. Sie hatten es jedoch zusammen geschafft, ihre Teerkladden gerade noch vor einer drohenden Transplantation zu retten. Und hatten sich das Wort gegeben, nichts unversucht zu lassen, was ihren Sauerstoffgehalt in Blut und Lungen absichern könnte: Fußmärsche bis zu acht Kilometer hin zum Ziel und zurück, Turm -und Treppensteigen, Lufteinhalten, Trimmpfad und sentier des poètes in Lasauvage. Lebensqualität pur in Zeiten der Eroberung der Bronchien durch das Virus. Sie hatten beide wenig Lust auf Schläuche und Maske und auf das Japsen vor dem Ende durch Ersticken. Sie ziehen beide ein Exitus nach Bier und Korn vor, wenn es so weit wäre. Obwohl man nie wüsste, was die Zukunft bereithielte mit ihren neumodischen Erfindungen und dem Wahnsinn des Fortschritts. „Das Leben lacht nur denjenigen, die dem Tod den Mittelfinger vor die Nase halten.“ Davon waren sie überzeugt. Dann drehte er ab, der finstere Geselle und würde sich ein anderes Opfer suchen, einen Hund zum Beispiel oder die Geliebte des ehemaligen christlich sozialen Schöffen, den beide sowieso nicht ausstehen können.

So gelacht und so gehört es sich: Zwei ordentliche Hüttenarbeiter vereint in ihrer gemeinsamen Vergangenheit an den glühenden Fließbändern der Eisenhütte Belval. Eingezogen vor vierzig Jahren ins gleiche Wohnviertel, nur zwei Straßen voneinander entfernt. Nahe der Buchhandlung Diderich zeugen Einkerbungen von der Wucht, mit welcher eine Granate aus dem zweiten Krieg einem Jungen den Arm und einem Giebel den Verputz abgerissen hatte.

Vladislav Votek lebt in ‚Mamas Hundehütte‘, wie er seine Wohnung scherzhaft bezeichnet. „Darf ich doch so sagen, nicht wahr, Män?“, frotzelt er, nachdem er den aus der Tasche gerutschten Schlüsselbund aufhebt und zurücksteckt. „Kein Licht, niedrige Kellerluken und schlappe Regenrinnen. Großartige, historische Bausubstanz für echte Proletarier. Stimmt’s, Män?“, spottet er und lacht und schlägt dem Freund unerwartet kräftig auf den Rücken. 

 

Votek hat muskulöse Arme und Hände und schlenkert sie wie jetzt nutzlos gewordene Flossen am Körper. Män lacht gleichfalls und stößt Votek mit dem Fuß gegen das Schienbein. Votek brüllt, zum Spaß und Män brüllt, aus Jux und die beiden Rentner amüsieren sich über die erstaunt aufblickenden Jugendlichen auf ihren Skateboards, die glauben, vor ihnen würde ein facebook würdiger Streit ausbrechen, würden zwei alte Männer sich gegenseitig aufschlitzen wollen mit Messer und Schlagring. Die Gräueltat wäre mindestens 300 Likes wert. 

 

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aus Selfie mit Puma, Erzählungen, unveröffentlicht

362.000 Voll und Leerzeichen/57000 Wörter

 


 

L wie flammender Hering

 

 

1.

 

 

Der Mann war sehr gut gekleidet. In der Stadtbahn stand er breitbeinig, hielt sich in verblüffender Balance unter den Lederschlaufen an der Decke. Sein Mantel war neu und faltenfrei, im Unterschied zu unseren abgetragenen Strickjacken und zerknitterten Parkas.

 

Ich grüßte freundlich, ‚hey‘. Er grüßte zurück. Und nickte. Als wollten seine Höflichkeit sowie die ruhige Gelassenheit sich einen Platz verschaffen zwischen uns Schülern, sich einbringen mit Respekt und Zivilisation in unser obszönes Witzeln, in unser Geschrei, inmitten von Staub und dem Gestank von überfüllten Aschern. Der Mann trug eine Krawatte. Sie war tadellos geknotet. Zwei Bügelfalten in den Hosenbeinen fielen zielsicher auf blank polierte Schuhe. Wenn es regnete, stellte der Mann sich an ein Fenster und schien ein Zwiegespräch zu führen mit dem Dunst und den Tropfen an den Scheiben.

 

Ich zählte knapp zwölf Jahre. Maja war ein Jahr älter. Er war ein gestandener Fünfziger, so nahm ich an. Obwohl er jünger aussah. Hatte meine Mutter behauptet, als ich ihr von den regelmäßigen Begegnungen in der Bahn berichtete. Sie hätte ihn gleichfalls gesehen. Doch niemand wüsste, was und wo er arbeitete. Von wo er käme. Ob er in unserer Stadt wohne, verheiratet wäre, Kinder hätte. Ob er Fischer von Beruf wäre oder nur ein simpler Angler an der Küste. All das bereite ihr Sorgen. Fremdlinge hätten sich auszuweisen, müssten Namen und Geburtsdatum angeben. Sich bei der Behörde melden. Man wisse nie, welche Absichten Männer verfolgten, die Kindern zunickten. Noch dazu in einem öffentlichen Verkehrsmittel.

 

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aus Selfie mit Puma, Erzählungen, unveröffentlicht

362.000 Voll und Leerzeichen/57000 Wörter 


Womblad 

 

 

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3.

 

Die Chaussee zum Bahnhof ist an diesem Morgen kaum befahren. Ein Bike liegt umgestürzt vor einem Hauseingang. Der Radler hockt auf der Treppe. Massiert sich Nacken und Hände. Spatzen zwitschern in Laubhecken. Das Handy pinkt. Eine Werbung für Ferien auf den Malediven. „Abschalten wäre eine Option“, denkt Melisa. „Doch Oma könnte wiederum anrufen. Wie sie es gestern Nachmittag getan hatte. Schrill hatte sie geschrien:

„Melisa, du musst mir helfen. Bitte.“

„Was ist denn, Oma?“

„Ein Känguru hat sich im Garten verirrt.“

„Ein Känguru? Oma, du lebst in Kautenbach. Im Ösling. Da gibt‘s keine Kängurus.“ 

„Melisa so groß ist es!“ 

Panik tönte durch die Muschel.

„Sieh was es tut. Dieses Ding da. Dieses ...“

„Was tut es denn, Oma?“

„Es gräbt mit seinen Krallen.“ 

„Das ist ein Dachs. Höchstens ein Waschbär.“

„Nein, nein, halt mich nicht für blöd, Kind. Ich weiß doch, was ein Dachs ist. Das hier ist so ein Tier wie im Fernsehen.“ 

„Ein Pandabär?“ 

„Nein, nein, es ist nicht so schön und es läuft blitzschnell. Jetzt läuft es am Gartenzaun entlang. Meine schönen Pflanzen! Habe ich extra geschützt vor der Kälte. Du meine Güte, jetzt zerreißt es die Kübel und die Deckel. Alles fetzt! Alles fliegt!“

 

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aus Selfie mit Puma, Erzählungen, unveröffentlicht

362.000 Voll und Leerzeichen/57000 Wörter